Zwei Personen sitzen eng nebeneinander. Eine Person trägt ein weißes Shirt und blaue Jeans, die andere ein dunkelgraues Shirt. Die Person im weißen Shirt hält mit beiden Händen den Arm der anderen Person. Ein Ring ist sichtbar

Mit dem Ask!-Modell aus der Streitspirale: Wie Paare wieder zueinander finden

Wenn Paare sich immer wieder in denselben Konflikten verlieren, entsteht oft ein Gefühl von Ausweglosigkeit. Nadine und Leopold, seit 20 Jahren verheiratet, kennen diesen Teufelskreis nur zu gut: laute Wut trifft auf kühlen Rückzug – ein destruktiver Paartanz, der beide erschöpft und verletzt. Das Ask!-Modell für Paare bietet hier einen innovativen und zugleich einfühlsamen Ansatz, um solche Muster sichtbar zu machen und gemeinsam zu verändern.

Anhand eines visuellen Prozesses lernen Paare, ihre Dynamik nicht nur zu verstehen, sondern auch aktiv zu gestalten. Folgendes Fallbeispiel zeigt eindrucksvoll, wie durch bildhafte Darstellung und analoge Interventionen neue Perspektiven entstehen können – und wie aus Eskalation wieder Austausch wird. Ein Modell, das nicht nur in der therapeutischen Arbeit überzeugt, sondern auch Betroffenen Hoffnung auf Veränderung gibt.

Fallgeschichte: Ask!-Kurzform für Paare: Nadine und Leopold

Nadine (49) und Leopold (54) sind seit 20 Jahren ein Paar, verheiratet, haben zwei Kinder und leben seit 15 Jahren zusammen. In ihrer Paarbeziehung „stolpern“ sie immer wieder über Streit bei unterschiedlichen Bedürfnissen und enttäuschten Erwartungen. Es kommt seit der Geburt des ersten Kindes vermehrt zu Eskalationen, denen beide sich ausgeliefert fühlen, zumal es ihnen nicht gut gelingt, daraus auszusteigen und wieder Kontrolle zu erlangen. Ihr Ziel für die Paartherapie war es, Wege zu finden, wie sie aus dieser Streitspirale ausbrechen können. Im Laufe der ersten beiden Sitzungen wurde ihr gemeinsamer Paartanz deutlich und folgende Beschreibung empfanden beide als zu treffend: Nadine zieht sich zurück, lässt ihn auflaufen, zeigt sich kühl. Leopold wird wütend, will wieder in Kontakt mit ihr kommen, schafft es nicht, wird laut und fängt irgendwann an zu brüllen. Beide Bild-Reaktionssysteme verstärken sich gegenseitig in einem destruktiven und für beide frustrierenden Teufelskreis.

Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, dieses Muster im Rahmen einer Paartherapie zu unterbrechen. Im Ask!-Modell erfolgt dies zum einen durch die Problemdekonstruktion, zum anderen durch die analoge Musterunterbrechung. Im Fall von Nadine und Leopold wurde in der ersten Sitzung das Problem aus Sicht der beiden geschildert und erfasst; zudem wurden Auftrag und Ziel für die Paartherapie geklärt. Nachdem das jeweilige Bild-Reaktionssystem und der gemeinsame Paartanz in den beiden darauffolgenden Sitzungen besprochen worden waren, wurden Nadine und Leopold in der dritten Sitzung gefragt, ob sie Interesse hätten, etwas Neues auszuprobieren. Nach erfolgter Zustimmung wurde der Satz wiederholt, der gemeinsam als eine zutreffende Beschreibung des Paartanzes erarbeitet worden war: „Laute Wut und kühler Rückzug.“ Die Therapeutin versicherte sich noch mal, ob das so für beide stimmig sei. Sie wurden daraufhin aufgefordert, ihren „Teufelskreis“ gemeinsam auf einem vorgelegten Blatt Papier bildhaft, in einem „visuellen Memo“ (vgl. 5.5.1), zu skizzieren. Im Falle von Nadine und Leopold entstand das Bild, welches in Abbildung 32 zu sehen ist. Links im Bild ist die Zeichnung von Leopold zu sehen, rechts die von Nadine:

Handgezeichnete Skizze mit zwei Hauptelementen: Links ein kleines Herz, umgeben von kleinen Pfeilen, Strichen und wellenförmigen Linien. Drei große Pfeile zeigen nach rechts. Rechts befindet sich auch ein kleines Herz, das von zwei Kreisen umgeben ist. Vor diesem rechten Herz verläuft eine lange, dicke Linie. Vom rechten Herz gehen strahlenförmige Linien nach außen.

Abbildung 32: Destruktiver Paartanz: Laute Wut und kühler Rückzug

Im Anschluss wurden beide gefragt, ob dies ein eher „angenehmes“ oder eher „unangenehmes“ Bild für sie sei. Diese Frage wird bewusst auf der Gefühlsebene gestellt, um den analogen Prozess zu unterstützen. Beide waren sich einig, dass es ein eher unangenehmes Bild für sie sei. Daraufhin erfolgte die Frage, was sich an dem Bild verändern müsste, damit es eher angenehm für sie sei, gefolgt von der Aufforderung: „Bitte bleiben Sie ganz in dem Bild.“ Ihnen wurde angeboten, entweder das bereits gezeichnete Bild zu verändern oder die Veränderung auf einem neuen Blatt Papier darzustellen. Das Paar wollte ein neues Blatt und zeichnete nun gemeinsam das Bild in Abbildung 33: 

Handgezeichnete Skizze mit drei Elementen: Links ein Herz mit einem kleinen Auge darin, rechts ein großes Herz mit einem kleineren Herz darin. Von beiden Herzen führen Linien nach außen. In der Mitte befindet sich ein Kreis, der die beiden Herzen miteinander verbindet.

 Abbildung 33: Neue Lösung: Jeder bei sich und dennoch gemeinsam und gut im Austausch

Sie kommentierten das Bild, wozu sie jedoch nicht aufgefordert worden waren, mit: „Jeder ist bei sich und dennoch gemeinsam. Wir sind gut im Austausch!“ Das Paar sollte nun beide Bilder nebeneinander vor sich hinlegen und wurde gefragt: „Wie kommen Sie denn nun von dem ersten Bild zu dem zweiten?“ Sie wurden gebeten, diesen Übergang von dem einen Bild zu dem anderen auf ein leeres Blatt Papier zu zeichnen, welches zwischen die beiden Bilder gelegt wurde. Abbildung 34 zeigt die daraufhin entstandene gemeinsame Zeichnung: 

Handgezeichnete Skizze mit zwei Hauptelementen: Links ein Herz mit der Beschriftung ‚fließen‘, umgeben von geschwungenen Linien. Rechts eine vertikale Linie mit einem kleineren Herz in der Mitte. Es hat die Beschriftung „zentrieren“. Zwischen den beiden Herzen sind Pfeile, die jeweils in die Richtung des anderen Herzens zeigen.

Abbildung 34: Übergang: Er: Wir sind im Austausch, es fließt wieder.                                                                            Sie: Ich zentriere mich erst mal, erde mich, nehme mir Zeit für mich.

Wieder kommentierten beide das Bild. Leopold: „Wir sind im Austausch, es fließt wieder.“ Nadine: „Ich zentriere mich erst mal, erde mich, nehme mir zunächst Zeit für mich.“ Auch in der Arbeit mit Paaren ist es wichtig, zunächst nicht über das Bild zu sprechen, sondern es einfach wirken zu lassen (vgl. Hoffmann-Bisinger 2018). Hier geht es nicht darum, alles Gesprochene streng zu unterbinden, sondern darum, dass die kognitive Ebene nicht wieder überhandnimmt und das Paar auf der Gefühlsebene bleibt. Um den Prozess auf der analogen Ebene zu unterstützen, wurden dem Paar im Sinne einer Analogen Verschreibung zwei Übungen bis zur nächsten Sitzung mitgegeben: Zum einen sollten sie dem neuen Bild gemeinsam ca. eine Minute Aufmerksamkeit pro Tag widmen. Beide waren der Ansicht, dass hierfür das zweite Bild (Abb. 33) gut geeignet sei. Zum anderen sollten sie vor allem das Übergangsbild (Abb. 34) im Fall eskalierender Situationen einsetzen, wenn sie wollten, auch gemeinsam mit dem zweiten Bild. Da es erfahrungsgemäß schwierig ist, so etwas zu tun, wenn beide bereits emotional aufgeladen sind, gibt es zwei Möglichkeiten, dies umzusetzen: wenn die Auseinandersetzung noch nicht eskaliert ist oder danach, wenn beide sich wieder beruhigt haben. Günstig ist es auch, ein Foto des Bildes z. B. auf dem Handy zu haben.

Auch in der Folgesitzung wird das Bild nicht diskutiert, übersetzt oder interpretiert (vgl. 5.5.2). Detailliert und konkret besprochen wird jedoch, was das Paar nun anders macht als zuvor. Ebenso wird das Paar angeregt zu überlegen, was es tun müsste, damit die Dinge wieder so wären, wie sie vorher waren. Im weiteren Verlauf geht es nun darum, das positive Neue zu stabilisieren. Im Anschluss wird die Therapie entweder beendet oder es werden die Themen angesprochen, die nun für das Paar noch relevant sind oder im Laufe der gemeinsamen Arbeit relevant wurden.

(Zum Schutz der Privatsphäre wurden die Namen in diesem Fallbeispiel geändert).

Fazit & Therapeutischer Ausblick:

Für die therapeutische Praxis bietet das Ask!-Modell eine wertvolle Erweiterung: Es unterstützt nicht nur die Musterunterbrechung, sondern fördert auch die Selbstwirksamkeit und den emotionalen Zugang der Paare zu ihrer Beziehung. Indem Fachkräfte den Prozess behutsam begleiten und die analoge Ebene bewusst nutzen, kann nachhaltige Veränderung entstehen – hin zu mehr Verbindung, Verständnis und einem gemeinsamen Miteinander.

Das Buch zur Fallgeschichte

Weitere praxisnahe Fallbeispiele und vertiefende Einblicke in das Ask!-Modell finden Sie im Buch von Ilka R. Hoffmann-Bisinger: Innere Bilder – der Schlüssel zur Veränderung. Analoge Systemische Kurztherapie und Coaching (Klett-Cotta Verlag, 2023).

Quelle

Fallbeispiel und Abbildungen: Ask!-Kurzform für Paare: Nadine und Leopold, S. 298–302. In: Hoffmann-Bisinger, Ilka R. (2023). Innere Bilder – der Schlüssel zur Veränderung. Analoge Systemische Kurztherapie und Coaching. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.

Vertiefendes Wissen zum Ask!-Modell im Webinar

  • Für Paare und Fachpersonen gleichermaßen geeignet: Lernen Sie Strategien, um ihre Beziehungsmuster selbst zu reflektieren und zu verändern – oder erhalten Sie konkrete Impulse für ihre Arbeit mit Paaren.
  • Erkennen und Durchbrechen eingefahrener Beziehungsmuster: Teilnehmende lernen, typische „Paartänze“ zu identifizieren und durch neue, konstruktive Kommunikationsformen zu ersetzen.
  • Systemische Perspektive auf Beziehung: Das Ask!-Modell zeigt, wie Beziehungsmuster im Zusammenspiel entstehen – und wie sie gemeinsam verändert werden können.
  • Praxisnah und lösungsorientiert: Das Webinar vermittelt konkrete Veränderungsprinzipien, die direkt in der Paarberatung oder im Alltag umgesetzt werden können – für mehr Verbindung und Verständnis.
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